Befreiungsschlag gegen das Rentendesaster!

von Hans-Peter Portmann,Nationalrat FDP und Präsident der Interessensgemeinschaft "Sichere Renten"

In der vergangenen Legislaturperiode, am 24. September 2017, hat das Schweizervolk das Reformgesetz zur Altersvorsoge mit 52,7% und den Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung mittels einer Erhöhung der Mehrwertsteuer mit 50,05% abgelehnt. Linksparteien, CVP und Gewerkschaften haben ungeachtet aller Bedenken und Widerstand von FDP sowie SVP die damalige Kuhhandel-Päcklilösung im Parlament durchgezwängt, und als Rechnung dafür vom Volk eine saftige Ohrfeige erhalten. Es ist unbestritten, bis ins Jahr 2030 werden der AHV zusammengerechnet rund 43 Milliarden Franken fehlen, womit der Ausgleichsfonds noch vor 2040 geplündert sein dürfte und keine Renten mehr ausbezahlt werden können. Auch in der zweiten Säule werden sind massive Leistungskürzungen geplant, um nicht wie die AHV ebenfalls auf der Intensivstation zu landen. Mitte-Links sieht immer noch das Allerheilmittel in Abgabeerhöhungen wie jene der Mehrwertsteuer und der Versichertenbeiträge, als auch ein Schröpfen bei den Auszahlungen in der zweiten Säule zulasten des Mittelstandes. Die Verlierer der vergangenen Volksabstimmung scheint dies wenig zu kümmern. Sie halten an ihren ideologischen Forderungen fest und drohen mit einem unerbitterlichen Kampf gegen jegliche Reformlösung, welche nicht genau ihrem Geschmack entspricht. Es wird im Bundesbern frisch fröhlich weiter ein Bazar von "Gschänkli" und "Gegegschänkli" betrieben, womit ein erneuter Kuhhandel wiederum in einer überladenen Vorlage endet, welche dann beim Volk aus den verschiedensten Ecken verständlicherweise unzählige Gegner aufs Tapet rufen wird. Ist das ein verantwortungsvolles Handeln von Verlierern einer Volksabstimmung?

Das Rentendesaster in unserem Lande braucht einen Befreiungsschlag. Dieser wäre eigentlich einfach zu finden, würde man die Hauptursachen der finanziellen Entwicklung unserer Altersvorsorge beseitigen wollen. Bis ins Jahr 2030 dürfte die mittlere Lebenserwartung in der Schweiz bei über 90 Jahren liegen. Als im Jahr 1948 die AHV eingeführt wurde, lag die Lebenserwartung für Männer bei 66 Jahren, und für Frauen bei 71 Jahren. Hat sich also die Lebenserwartung um gegen 30 Prozent gesteigert, so wird zwangshaft am Rentenalter von 64 Jahren für Frauen und 65 Jahren für Männer festgehalten. Es ist klar, dass diese Rechnung von Rentenleistung und Rentenabgaben über kurz oder lang nicht aufgehen kann. Es ist auch schleierhaft, warum man das Problem nicht vorwiegend über die natürlichste Art lösen will. Wir leben viel länger, also sollten wir auch bereit sein, länger zu arbeiten.

Wir brauchen ein flexibles Rentenalter, welches für Frauen und Männer zum Beispiel zu einem Referenzalter von 66 Jahren für eine Vollrente führen würde. Diese Anpassung könnte die AHV auf einen Schlag jährlich um über 4 Mrd. Franken entlasten, und ebenfalls in der zweiten Säule weitere Leistungskürzungen verhindern. Dabei müssten natürlich sowohl der Übergang auf eine längere Zeit hinaus gestaffelt erfolgen, als auch für im Arbeitsprozess gesundheitlich angeschlagene ältere Arbeitskräfte durch Teilpensionierungen entlastet werden. Weiter müssen Dienste an der Allgemeinheit, wie zum Beispiel die Familienbetreuung oder der Militärdienst als vollwertige Arbeitszeiten durch kalkulatorischen Zeitgutschriften miteinberechnet werden. Und letztlich muss sich ein Arbeiten über den medianen Rentenzeitpunkt hinaus mit Aufschiebung der Renten auch lohnen, indem man zum Beispiel Lohneinkünfte über 66 Jahre nur noch Teilbesteuerte, Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerbeiträge massiv reduzierte, um damit auch Teilzeitbeschäftigungen für eine Rente bis zu einem 100 % Pensum kompensieren zu können.

Ein flexibles Rentenalter 66 müsste eigentlich vor dem Volk zu gewinnen sein. Neueste repräsentative Umfragen zeigen einen JA-Anteil für Rentenalter-Erhöhungen von über Zweidrittel bei den Stimmberechtigten. Denn all die heute im Raum stehenden Scheinlösungen müssten vor allem von der jungen Generation sowie den aktiven Erwerbstätigen zusätzlich berappt werden, würden das Rentenloch nur um einige Jahre hinauszögern, und könnten die Gefahr, dass einmal in unserem Lande niemand mehr aus der Altersvorsoge Geld bekommt, nicht vollkommen eliminieren.

Herausforderungen im Schweizer Finanzplatz

Nachhaltigkeit – wie positioniert sich der Finanzplatz?

Was versteht man unter nachhaltigen Finanzanlagen?

„Nachhaltige Finanzanlagen“ ist die allgemeine Bezeichnung für nachhaltiges, verantwortliches, ethisches, soziales, ökologisches Investment und alle anderen Anlageprozesse, die in ihre Finanzanalyse den Einfluss von ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance)einbeziehen.

Zeigen nachhaltige Anlagen Wirkung?

Tatsächlich kann seit geraumer Zeit nachgewiesen werden, dass Anlagen, welche zum Beispiel ein besonderes Auge auf den Umweltschutz werfen, bei den Investoren auf zunehmendes Interesse stossen. Auch werden Unternehmungen mit klaren Vorgaben zu nachhaltigem Handeln am Kapitalmarkt vermehrt bevorzugt behandelt, und profitieren von einem grossen Imagegewinn.

Ist die Finanzbranche bereit, nachhaltige Anlagen zu fördern?

Im Finanzsektor hat schon von geraumer Zeit ein Umdenken stattgefunden. .Dies gründet nicht nur darauf, dass nachhaltige Anlagen immer begehrter werden, sondern auch darauf, dass auch Finanzinstitute in ihrer Corporate Governance einem nachhaltigen Handeln verschrieben haben. Ich persönlich habe unserer Umweltministerin zugesagt, dass ich im Vereinbaren von neuen Nachhaltigkeitsstandards zwischen der Politik und dem Finanzsektor als Brückenbauer zu konstruktiven Lösungen mithelfen will.

Arbeitsplatzsicherheit über 50 - Finanzplatz im Abseits?

Welchen Stellenwert haben älterer Mitarbeitende auf dem Finanzplatz?

Tatsächlich ist die Finanzbranche mit diesem gesellschaftspolitisch sehr wichtigen Thema in den vergangenen Jahren etwas sorglos umgegangen, und hat zu oft nur die Kostenseite im Fokus gehabt. Heute aber haben die Finanzinstitute erkannt, dass gerade der Erfahrungsfaktor und die persönliche Reife von älteren Mitarbeitenden grossen Mehrwert im Unternehmen darstellen. Aktuell werden nun verschiedenste Förderungsmodelle "50 plus" implementiert.

Wo liegt das gesellschaftspolitische Problem?

Bei Arbeitsplatzverlust im fortgeschrittenen Alter sind die Folgen vielfältig und teils dramatisch: Betroffene finden keinen Arbeitsplatz mehr und landen in der Altersarmut. Legitime Leistungsansprüche werden ihnen vorenthalten oder sie werden ungerecht behandelt. Durch falsche oder ineffektive Behandlungen steigen die Gesundheitskosten. Und Frühverrentungen führen dazu, dass Menschen ihre Potentiale nicht mehr einbringen können.

Was ist Ihr persönliches Engagement in diesem Thema?

Ich engagiere mich im Initiativkomitee der "Allianz gegen Altersdiskriminierung". Dieses plant eine Volksinitiative «Schutz vor Altersdiskriminierung» zu lancieren, um die Lücken bei diskriminierenden Handlungen im Privatrecht, analog dem Gleichstellungs- und dem Behindertengesetz, zu schliessen.

Sicherung der Altersvorsorge – wie ist die Finanzbranche betroffen?

Wie gesund oder krank ist unsere Altersvorsorge?

Eine Studie der Uni St. Gallen zeigt auf, dass im Zeitraum 2010 bis 2030 sowohl in der AHV als auch im BVG je ungefähr 55 Mrd. Fr. umverteilt werden, und zwar von Jung zu Alt. Das ist so viel wie unsere gesamte Staatsverschuldung von 110 Mrd. Franken. Alleine die AHV macht jährlich ein Defizit von über 2 Mrd. Franken. Unser Vorsorgesystem ist akutkrank und liegt bereits auf der Notfallstation.

Was heisst das Konkret für den Finanzsektor?

Finanzinstitute galten bis anhin vor allem auch in der Ausgestaltung der Pensionsleistungen als attraktive Arbeitgeber. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird dies nicht mehr möglich sein, und in verschiedensten Bereichen des Finanzsektors werden hohe Kosten bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern, wie auch Ertragsausfälle bei der Verwaltung von Vorsorgegeldern anfallen.

Wie lautet Ihr Rezept?

Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform mittels einem flexibles Pensionierungsmodel mit Anreizsystemen und Härtefallregelungen. Dazu müssen für Frauen und Männer die Pensionierungsregelungen mit einer Anhebung des durchschnittlichen Rentenalters vereinheitlicht werden. Um diese Forderungen auch politisch mehrheitsfähig zu machen, habe ich die solidarisch denkende, generationenübergreifende Interessensgemeinschaft "IG Sichere Renten" gegründet.

"Diversity" - wo steht die Finanzbranche?

Ist "Diversity" ein Thema bei den Finanzinstituten?

Die Förderung der Diversität im Personalbereich hat in den vergangenen Jahren bei den Finanzinstituten stark an Bedeutung gewonnen. Die meisten Arbeitgeber haben in ihren HR-Grundsätzen die Chancengleichheit unter den Mitarbeitenden, gleich welchen Geschlechtes, gleich welcher Nationalität, gleich welcher Religion, gleich welcher sexueller Orientierung und gleich welchen Alters oder welcher körperlicher Beeinträchtigungen, festgeschrieben. Gerade die Banken können eine diesbezüglich vorbildliche Umsetzung ausweisen. So haben die ZKB und die Credit Suisse im März 2019 als erste mit fünf weiteren Unternehmungen das Swiss LGBTI-Label erhalten.

Was heisst vorbildliche Umsetzung?

Vorbildlich ist zum Beispiel ein Unternehmen, welches auf die praktische Ausübung des individuellen Glaubens Rücksicht nimmt, und etwa Arbeitspläne auf jüdische Feiertage abstimmt. Oder wenn es eine Kultur der Offenheit gegenüber allen Lebensformen, wie etwa gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, lebt und in ihre Corporate Identity integriert hat.

Was bringt "Diversity" einem Unternehmen?

Internationale Studien zeigen, dass eine geförderte "Diversität" die Attraktivität eines Arbeitgebers steigert, die Mitarbeitenden längerfristig bindet, und deren Leistungen effizienter, produktiver und innovativer ausfallen.  

© Hans-Peter Portmann, 2019

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